Wohnorte in Berlin: 1902-1917 Familienleben in Hermsdorf

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Die Gebäude, in denen Landeuer in Hermsdorf wohnte, sind noch erhalten: Schloßstraße 17, Fellbacher Straße 26 und Oggenhausener Straße 2a

Im Januar 1901 kehrte Landauer nach Berlin zurück und wohnte als Untermieter am Lützowplatz Nr. 14 im 3 Stock. Bereits vorher soll er hier eine Schlafstelle gemietet haben, um nach abendlichen Veranstaltungen nicht nach Dahlwitz fahren zu müssen. Neue private Perspektiven ergaben sich für ihn durch die Beziehung zur bekannten Übersetzerin und Dichterin Hedwig Lachmann. Einem ungetrübten Zusammenleben stand in jener Zeit allerdings entgegen, dass er noch nicht von seiner ersten Frau geschieden war. Daher reisten beide im September 1901 nach England und lebten bis Juni 1902 in Bromley bei London, wo sie Kontakte zu Pjotr Alexejewitsch Kropotkin und Tarrida del Mármol pflegten. Die von dem Historiker Tilman Leder als Zeit der „inneren und äußeren Emigration“ bezeichnete Episode endet im Juni 1902 mit der Rückkehr nach Berlin. Zuvor hatte Erich Mühsam sich auf Landauers Wunsch nach einer preiswerten, verkehrsgünstig gelegenen Wohnung in einem angenehmen Vorort Berlins umgesehen und war in der Schloßstraße 17 in Hermsdorf fündig geworden. Vor dem Haus befindet sich heute die einzige Gedenktafel in Berlin, die an Gustav Landauer erinnert. Als seine Familie sich durch die Geburt der Töchter vergrößerte, wurden neue Wohnungen nötig. So zog die Familie Anfang Juni 1908 in die Kaiserstraße 26 (heute Fellbacher Straße) und zum 1. Juni 1914 in die Tresckowstraße 2a (heute Oggenhausener Straße). Im Mai 1917 zog Landauer nach Krumbach (Schwaben) in die Wohnung der verstorbenen Schwiegermutter. Im ländlichen Raum war während des Krieges die Versorgungslage mit Lebensmitteln deutlich besser als in Berlin, zudem waren Brennstoffe im Winter 1916/1917 kaum noch zu bekommen, so dass auch ein schriftstellerisches Arbeiten in den ungeheizten Räumen nur schwer möglich war.

Schon diese wenigen, keinesfalls erschöpfenden Hinweise auf die Wirkungsstätten und Wohnorte Landauers in Berlin dokumentieren seine enge Verbindung mit der Stadt, in der er ein gutes Vierteljahrhundert lang wirkte. Als eine seinerzeit wichtige, doch heute kaum erinnerte Persönlichkeit der beginnenden Moderne in Berlin trat er hier, im Zentrum Preußens, öffentlich exponiert und energisch gegen Militarismus, Kolonialismus und Unmenschlichkeit, gegen kapitalistische Ausbeutung, Antisemitismus und den heraufziehenden Weltkrieg ein. Hier engagierte er sich in zahllosen Debatten, durch hunderte von Artikeln und öffentliche Reden, für eine kulturelle Erneuerung, die Verständigung zwischen verschiedenen Bevölkerungsschichten und für einen freiheitlich demokratischen Sozialismus.